Erster Titel außerhalb der Challenger-Tour – Tolunays Rückkehr in die Erfolgsspur

Böse Zungen behaupten ja, er habe dieser Tage – angesichts eines eher mäßig besetzten Turniers – seinen dritten Challenger-Karriere-Titel errungen! Doch Fakt ist, dass sich Terra-Rossa-Jungstar Andreas Tolunay am Dienstag Abend mit dem Erfolg beim April-HTT-150-Turnier 2013 erstmals überhaupt in die Siegerliste auf der “großen Tour” eintragen konnte. Nach seinem Challenger-Doppelpack-Triumph im September 2011, fand der 20jährige Wiener überdies mit seinem ersten Turniersieg abseits der Challenger-Tour, nun nach über eineinhalb Jahren in die scheinbar längst verloren geglaubte Erfolgsspur zurück. Eine nette Geschichte am Rande ist, dass Tolunay seinen dritten Turniersieg beim 90. Turnierstart seiner Karriere erringen konnte. Fixiert hat er den lange herbeigesehnten Erfolg durch einen wenig berauschenden 2:6, 6:3, 6:0 Finalsieg über Hobiger-Bezwinger Philipp Scheider. Ein Bericht von C.L

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Philipp Scheider mit Hobiger-Schicksal muss weiter auf seinen ersten Turniersieg warten

Am Ende von 96 wenig hochklassigen Minuten war dem unterlegenen Philipp Scheider ganz klar nach Flucht aus der Halle zumute. Kein Wunder, war der 19jährige am Dienstag Abend im Endspiel des 3. April-HTT-150-Turniers doch Opfer des selben Szenarios geworden, mit dem er 24 Stunden zuvor die Nummer 1 des Bewerbes aus dem Titeltrennen genommen hatte, und zum großen Helden des Semifinal-Gipfels mit Markus Hobiger avanciert war. Den ersten Satz souverän beherrscht, mit einer wirklich starken Leistung ein hoch verdientes 6:2 herausgeschossen, ging Scheider in der Folge ein wie eine Primel. Drei Games waren dem 19jährigen vom City & Country Sportklub in der Folge noch gegönnt, ehe ihn das Hobiger-Schicksal ereilte, und er auch bei der zweiten Finalteilnahme seiner noch jungen Karriere leer ausging.

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Starker Philipp Scheider holt sich mit dem Schwung des gewonnenen Halbfinales den ersten Satz in nur 28 Minuten mit 6:2

Nach den ersten 28 Minuten des 18. Saisonfinales hatte es freilich nicht nach der zweiten Scheider’schen Finalniederlage in Serie ausgesehen. Der 19jährige schien den Schwung des gewonnenen Semifinales gegen Markus Hobiger mitgenommen zu haben, und setzte im ersten Durchgang die als Favorit gehandelte Nummer 2 des Turniers mächtig unter Druck. Bis 2:2 konnten beide Spieler ihren Aufschlag halten, ehe das acht Minuten dauernde fünfte Game die weitere Richtung in diesem Eröffnungssatz vorgab. Tolunay läßt dabei 2 Break-Chancen ungenützt, ehe Scheider nach vier Mal Einstand doch noch zum Game-Gewinn kommt. Gleich im nächsten Aufschlagspiel Tolunays offenbart sich die plötzlich höchst akute Verunsicherung im Spiel des 20jährigen, der Fehler um Fehler produzierend das erste Break in diesem Finale kassiert, und sich wenig später bei 2:5 bereits gegen den Satzverlust servieren sieht. Eine Aufgabe, der der emotional völlig aufgelöste Terra-Rossa-Jungstar nicht gewachsen war. Scheider gewann den ersten Heat also mit 6:2, und durfte auch neben dem Ergebnis mit seinem Auftreten zurfrieden sein. Ein Blick auf die Matchstatistik von hobbytennistour.at belegt: Scheider machte weniger Fehler als sein Gegenüber (17:20), punktete öfters mit Winnern (9:2), verwandelte 5 seiner 7 Netzangriffe zu Punktgewinnen, machte zu überzeugenden 80 % den Punkt wenn der erste Aufschlag kam, und war auch insgesamt mit 29:22 Gesamtpunkten der effizientere Mann.

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Scheider muss “berühmtes Hobiger-Game” abgeben, und verpasst damit die Chance, dem angeschlagenen Gegner ein klassisches “K.o.” zu versetzen

Nach dem überraschend klaren Satzgewinn des 19jährigen, stand das seit Montag Abend so berühmte erste Game des zweiten Satzes auf dem Programm, seit dem April-HTT-150-Semifinale auch kurz das “Hobiger-Game” genannt. Das Phänomen des so schwierig zu spielenden ersten Games nach Satzgewinn, es holte auch Philipp Scheider ein. Mit einem Doppelfehler, einem Vorhandball der meterweit im Out landete und einer Slice-Rückhand ins Netz, wurde auch der Jungstar vom City & Country Sportklub Opfer von “mangelnder Konzentration und fehlender Körperspannung”. Aber wie in den letzten Berichten schon öfters erwähnt, so ein verlorenes Auftakt-Game im zweiten Satz ist kein Beinbruch und oftmals gesehener Part bei Tennismatches jeden Niveaus. Spannend war die Frage wie Scheider diesen Aufschlagverlust wegstecken würde aber vorallem deshalb, weil er ja keine 24 Stunden zuvor live vor Ort miterlebt hatte, wie sein Gegner nach gewonnenem ersten Satz im Auftakt-Spiel des zweiten Satzes patzte, damit das Match aus der Hand gab, und er selbst zum ganz großen Profiteur wurde. Gleich vorweg! Auch Scheider machte in der Folge nur mehr 3 Games, doch jeglicher Vergleich mit Hobiger wäre unzulässig, weil der 19jährige trotz raschem 0:2 das Re-Break zum 2:2 schaffte, und danach sogar 3:2 in Front lag. Und doch war dieses erste Game des zweiten Satzes von immenser Bedeutung. Weil Scheider den mental und emotional schwer angeschlagenen Gegner unmittelbar nach verlorenem ersten Satz mit einem Game-Gewinn zum Auftakt wohl einen klassischen “K.o.” hätte versetzen können. Tolunay war in dieser Phase des Finales richtig rat- und planlos, das einzige was funktionierte war sein Sprachorgan, mit dem er wieder einmal seine Tennisnachbarn vergraulte.

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Scheider wirft im entscheidenden dritten Satz jegliches Sicherheitsdenken über Bord, und schlittert mit Sturmlauf ans Netz in ein 0:6 Debakel

So aber kam Tolunay in Spiel zurück, holt sich ein Break zum 4:3, und nahm seinem Gegner nach 40:0 Rückstand auch noch das Aufschlagspiel zum 6:3 ab. Damit war der 20jährige in seinem 5. Karriere-Finale wieder im Rennen um Titel Nr. 3, und längst auch mental obenauf. Dennoch musste der Terra-Rossa-Crack erbittert kämpfen, um nach 11 Minuten das erste Game im dritten Satz unter Abwehr von drei Breakchancen Scheiders ins Trockene zu retten. Damit war der Weg nun frei, denn Scheider warf jegliches Sicherheitsdenken über Bord, und suchte fortan sein Heil nur mehr in der Offensive. “Mir ist in dieser Situation das März-Challenger-Finale gegen Clemens Wimmer in die Gedanken gekommen, und so eine Schupferei wollte ich unter allen Umständen vermeiden. Auf einen Marathon bis weit nach Mitternacht hatte ich heute keinen Bock”, erklärte Scheider seinen plötzlichen Offensiv-Geist. Und weil es dem 19jährigen am Netz an Präzision fehlte, und Tolunay mit Fortdauer des Matches immer besser seinen Paradeschlag  – den Vorhand-Passierball – anbringen konnte, ging der entscheidende dritte Durchgang recht rasch mit 6:0 zu Ende. Auffällig dabei war vorallem die katastrophale Quote, die die Matchstatistik bei Scheiders Effizienz nach erstem und zweiten Service ausspuckte. Nur 22 Prozent der Punkte nach dem ersten Aufschlag, kaum bessere 29 % nach dem zweiten Service, damit war natürlich gegen die Nummer 2 des Turniers nichts mehr zu gewinnen.

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Philipp Scheider hadert mit später Beginnzeit und will beim Challenger-Tour-Final zum ganz großen Schlag ausholen

“Das Match heute hat mich schon sehr an die Wimmer-Partie im März-Challenger-Finale erinnert. Und ich muss es auch irgendwie mit dem gestrigen Semifinale gegen Markus Hobiger vergleichen. In der Pause nach dem ersten Satz habe ich zu viel getrunken, und so war mir ca. 3 Games lang richtig übel. Tolunay hat heute extrem viel “geschupft”, und mir hat mit Fortdauer des Matches die Konstanz und die Länge in den Schlägen gefehlt. So konnte ich auch nicht mehr mein Spiel aufziehen. Die Beinarbeit hat dann auch nicht mehr funktioniert, und wenn du die Konzentration verlierst und viele Fehler machst, dann wird es halt schwierig. Im dritten Satz habe ich an die Wimmer-Partie gedacht, hatte aber keinen Bock auf einen weiteren Marathon”, so Scheider, der angesprochen auf das verlorene erste Game im zweiten Satz meinte: “Das war aus meiner Sicht kein Problem. Natürlich wusste ich zu diesem Zeitpunkt, dass dieses Game – falls ich es gewinne – einen enormen mentalen Vorteil bringen würde. Aber ich war ja im zweiten Satz auch bei 3:3 wieder dran, von daher war dieses Game aus meiner Sicht nicht spielentscheidend. Mir taugt viel eher diese späte Uhrzeit nicht. Immer in Semifinale und Finale kann ich nicht annähernd meine Leistung abrufen wie in den Runden davor. Auch diesmal war ich mit meiner Leistung bis zum Semifinale richtig zufrieden. Die Form passt, und jetzt freue ich mich schon auf die beginnende Sandplatzsaison, und das wir im Semifinale und Finale frühere Beginnzeiten haben”, so der unterlegene Finalist, der für die heurige Saison noch große Ziele verfolgt. “Der Turniersieg muss her, und ich weiß auch ganz sicher das er kommen wird. Und das ganz große Saisonziel ist natürlich der Gewinn des Challenger-Tour-Final-Titels. Ich gehe doch nicht dort hin, um nur mitzuspielen”, posaunte Scheider.

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Andreas Tolunay: “Ich hatte im ersten Satz eine totale Blockade”

Derweil sammelte sich der neue April-HTT-150-Champion, um dann im dritten Sieger-Interview seiner Karriere groß auszuholen. “Ich bin schon sehr glücklich über diesen Erfolg, weil ich nicht sicher war, ob ich dieses Finale gewinnen kann. Der Scheider spielt auf dem ziemlich selben Niveau wie ich, und ich hatte auch ein bißchen Druck, endlich im dritten Anlauf auch einmal ein Turnier außerhalb der Challenger-Tour zu gewinnen. Ich hatte Angst, dass ich im Falle einer weiteren Niederlage in so eine Spirale nach unten gezogen werde. Im Hinterkopf hast du das dann bei jedem Finale, und dann wird es erst richtig schwer. Zum Match muss ich sagen, dass ich heute im ersten Satz eine echte Blockade hatte. Vorallem meine Rückhand macht mir Sorgen und verunsichert mich total. Ich weiß auch gar nicht, wie ich in diesem Match nach verlorenem ersten Satz wieder zurückgekommen bin. Ich habe mich halt dann wie immer voll reingebissen und war voll fokussiert. In der zweiten Hälfte des Matches war ich viel konzentrierter bei der Sache, weil ich wusste, dass es jetzt um Alles oder Nichts geht. Ich habe dann hauptsächlich auch versucht, weniger Fehler zu begehen. Zum Glück ist mir gleich im ersten Game des zweiten Satzes ein schnelles Break gelungen, und das hat mir viel Hoffnung gegeben”, so Tolunay.

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Andreas Tolunay gibt Mastersteilnahme als ganz großes Saisonziel aus

“Ich freue mich über diesen Titelgewinn nicht wegen dem gewonnenen Finale, denn auf dieses Match heute brauche ich nicht stolz zu sein. Das Finale war heute nur eine ergebnisorientierte Sache, aber ich bin glücklich über diesen Turniersieg, weil ich auf dem Weg dorthin lauter gute Spieler geschlagen habe. Mayerhofer, Tschanett, Scheider, drei gute Gegner hintereinander zu besiegen, darauf kann ich sehr wohl stolz sein. Allerdings stelle ich meinen Finaleinzug beim vorjährigen Mai-HTT-250-Turnier noch über diesen heutigen Erfolg. Es ist aber schon ein befreiendes Gefühl, nach über eineinhalb Jahren endlich wieder einmal ein Turnier gewonnen zu haben. Natürlich bin ich in dieser Zeit öfters mal nachdenklich geworden, aber mir war andererseits klar, dass es nur eine Frage der Zeit sein wird, bis es wieder mit einem Titel klappt. Jetzt freue ich mich auch schon auf die Sandplatzsaison. Mein Ziel ist die Teilnahme am Masters. Ich habe heuer bislang nicht schlecht gespielt, nur die entsprechenden Resultate fehlten bisher. Es ist viel drinnen für mich auf Sand, auch wenn ich noch massiv an Rückhand und Aufschlag arbeiten muss. Aber ich denke immer an Rares Maftei. Der hat es auch zum Masters geschafft, auch wenn er dort dann chancenlos war. Ich setze mir immer ganz hohe Ziele. Vielleicht werde ich es heuer nicht schaffen, aber ganz sicher irgendwann einmal. Es ist aber zumindest für neuer mein erklärtes Ziel”, verabschiedete sich der neue April-HTT-150-Champion 2013.

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