Das unmoralische Angebot – Bier statt Titel

Christoph Mayer gewinnt Mai-Grand-Prix-Turnier im Finale gegen Stefan Schaaf

Olympiasieger Christoph Mayer kommt als frischgebackener Mai-Grand-Prix-Sieger zu den am Donnerstag beginnenden “French Open der Hobby-Tennis-Tour”. Der 24jährige Kärntner setzte sich am Dienstag Abend im Finale der Grand-Slam-Generalprobe gegen WTB-König Stefan Schaaf nach 1:49 Stunden mit 6:4, 4:6, 6:3 durch und feierte nach seinem Triumph beim April-Grand-Prix-Turnier den zweiten Sandplatz-Titel in dieser Saison. Ein Bericht von C.L

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Aufregung vor dem Finale wegen Gesundheitszustand von Stefan Schaaf

Es ist Dienstag Nachmittag 14:57 Uhr, als beim Veranstalter der Hobby-Tennis-Tour das Handy läutet und Stefan Schaaf aufgrund gesundheitlicher Probleme um Verschiebung des Mai-Grand-Prix-Finales bittet. Nach Rücksprache mit seinem Finalgegner und kurzer Überlegung wird Schaafs Ansuchen aber rasch verworfen. Weil einerseits das Wetter für den Folgetag alles andere als optimal prognostiziert war und man sich unnötige Termin-Troubles ersparen wollte, und weil zudem am Mittwoch Abend die aktuelle Entry-List zur Mai-Grand-Slam-Setzung veröffentlicht werden muss. Mit einem Christoph Mayer, für den ein gewonnenes oder verlorenes Mai-GP-Finale in der Setzliste für das kommende Wochenende von entscheidender Wichtigkeit sein könnte. Und so kam er dann doch knapp nach 17:45 Uhr, langsamen Schrittes und kreidebleich den Eingang der Tennisanlage in der Leberstraße empor. Heftige Magenschmerzen und Übelkeit, Stefan Schaaf startete also alles andere als fit in sein viertes Karrierefinale auf der Hobby-Tennis-Tour.

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Mayer gewinnt den ersten Satz trotz 1:4 Rückstand nach 37 Minuten mit 6:4

Schaafs Erwartungen an sich selbst, und die Hoffnungen der Zuseher auf ein tolles aufregendes Finale waren nach der Einspielphase dahin. “Das wird schnell gehen”, dachte man draußen im Zuseherraum als man die Minuten des Aufwärmens beobachtet hatte. Selbst das Wetter und die große Frage, wann denn nun die angesagte Gewitterfront über die Anlage des TC Top Serve ziehen würde, war längst kein Thema mehr. Das wird sicher ganz sicher ausgehen, so lange wird das Finale ja nicht dauern, zumal Schaaf ja eben nicht fit in den Finalschlager ging. Doch dann, gleich im Auftakt-Game des 22. Saison-Endspiels wurde deutlich, dass man mit der Annahme eines Kurzfinales voreilig einem kräftigen Irrtum unterlegen war. Mayer eröffnete und setzte gleich zwei Mal seinen Paradeschlag die Rückhand knapp ins Out. Den ersten Doppelfehler hinterher geschickt, und schon fand sein Gegenüber praktisch aus dem Nichts seine ersten drei Breakchancen vor. Mit fünf Punkten in Serie rettete der Olympiasieger zwar die 1:0 Führung, doch schon in diesem ersten Aufschlagspiel wurde deutlich, dass dem April-GP-Champion aus Treffen alles andere als ein gemütlicher Nachmittags-Spaziergang am Centercourt des TC Top Serve bevorstehen sollte. Schaaf schlich zwar weiterhin wie ein Unbeteiligter über den Platz und machte vorallem auch keinen sonderlich motivierten Eindruck, dennoch gelang ihm postwendend das 1:1. “Ich habe angeschrieben, jetzt wird es kein zu Null, das ist schon mal positiv”, Schaafs Reaktion auf den Ausgleich ließ auch eher darauf schließen, dass der 31jährige in seinem vierten Saisonfinale eher nur auf Schadensbegrezung aus war. Doch dann wurde daraus plötzlich mehr. Mayer war definitiv hilflos ob des drucklosen Spieles des selbsternannten Edelschupfers, hatte nach nur 4 Games bereits das Dutzend an unforced errores fabriziert was wiederum das 1:3 zur Folge hatte. Es kam noch schlimmer, mit dem zweiten Break gegen sich zum 1:4, da waren gerade einmal 17 Minuten gespielt. Das Glück des fehlerhaften Olympiasiegers war freilich, dass sein Gegner in der entscheidenden Schlussphase des ersten Satzes viel zu lasch an die Sache heranging. Schaaf verließ sich da zu sehr darauf, dass sein Gegenüber weiter wie wild die Fehler macht, anstatt mit einer Spur mehr an Eigeninitiative Mayer einen frühzeitigen “knock out” zu versetzen. Mayers Konter mit fünf Games in Folge saß perfekt, und mit einem Vorhand-Winner verwandelte der 24jährige Kärnter gleich seinen ersten Satzball nach 37 gespielten Minuten zum 6:4 Satzgewinn.

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Schaaf sichert sich mit nur einem Break den zweiten Satz mit 6:4

Im zweiten Durchgang dann zunächst das selbe Spiel wie schon in Satz 1. Mayer legte mit dem Service vor, und Schaaf freute sich mit dem 1:1 neuerlich keine Null aufgebrummt zu bekommen. Danach ging es mit dem Aufschlag bis zum berühmten siebenten Game, das nicht nur zum längsten und spanendsten des gesamten Matches, sondern auch zum entscheidenden in diesem zweiten Heat werden sollte. Denn nachdem Mayer zwei Spielbälle zum 4:3 leichtfertig verjubelte, gelang Schaaf mit seiner dritten Breakchance das zum Satzausgleich führende Break. “Das ist so deprimierend, hallte Mayers Frustschrei über den Centercourt. Erstmals in dieser Saison war der als so cool, ruhig und besonnen wirkende Sunnyboy aus Kärnten aus der Fassung geraten. So hatte man den stets souverän wirkenden 24jährigen auf der Tour noch nie gesehen. Ein Break reichte also in diesem zweiten Satz, was Schaaf zu diesem Zeitpunkt aber natürlich noch nicht wusste. So richtete er beim Seitenwechsel ein unmoralisches Angebot an den aufgewühlten Kärntner. “Gib halt w.o., ich zahle dir dafür ein Bier”, scherzte Schaaf in Richtung Gegner. “Bier statt Titel”, das kam für Mayer natürlich nicht in Frage, auch wenn ein Sieg nach weiteren 40 Minuten des zweiten Satzes in weiterer Ferne als noch zu Beginn des Durchgangs schien. Der Satzausgleich war also perfekt, auch weil Mayer an diesem Abend über weite Strecken der Aufschlag fehlte. Schaaf hingegen riss mit verwandeltem Satzball die Arme in die Höhe, so als ob er schon das gesamte Match gewonnen hätte. Womöglich war der unerwartete Satzgewinn auch schon so was wie sein persönlicher Sieg zum Tag.

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Wie das Finale im Finish trotz 4:0 Mayer-Führung noch einmal richtig spannend wurde

Draußen im Zuseherbereich neben dem Centercourt staunte derweil auch Schaafs Doppelpartner Peter Sachs über das Comeback seines Freundes. “Unglaublich, da brauche ich noch ein Bier für den dritten Satz”, lachte Sachs. Ein “Pfiff” statt dem Seidel hätte da beinahe gereicht, denn kaum hatte Sachs an seinem “kühlen Blonden” genippt, lag sein Kumpel auch schon 0:4 zurück. Die Entscheidung schien gefallen. Mayer wusste zwar in den ersten vier Games noch immer nicht zu glänzen, Schaaf schien aber in diesen Momenten definitiv die Kraft zu verlassen. Unfassbar war daher auch, was sich in der Folge am Centercourt des TC Top Serve abspielte. Mit einer “Trefferquote von -10 %”, wie Mayer lauthals über den Platz schrie, vielen leichten Fehlern am Volley und noch mehr groben Schnitzern an der Grundlinie, machte Mayer mit seiner Durchschnitts-Performance das Finale noch einmal richtig spannend. Draußen zitterten plötzlich auch wieder Mayer-Freundin Beatrix samt Sohnemann Lukas. Beatrix um dem Erfolg ihres Freundes, und Lukas um den herrlich goldfarbenen Pokal, der am Nebentisch imposant und glänzend auf den Champion wartete und auf Lukas magisch anziehend wirkte. Und das große Zittern war auch durchaus berechtigt, weil Schaaf zu einer unheimlichen Aufholjagd ansetzte. 1:4, 2:4, 3:4, beide Breaks zurückgeholt, selbst Mayers zwischenzeitlicher 30. Rückhand-Winner nützte nichts, das Mai-Grand-Prix-Endspiel 2009 war wieder offen, im dritten Satz alles wieder in der Reihe. “Wenn ich noch auf 4:4 gekommen wäre, wer weiß was dann womöglich noch passiert wäre”, analysierte Schaaf später im Interview. Doch auf 4:4 kam er nicht mehr, obwohl Mayer im Finish auch nicht im Stile eines großen Champions agierte. Im Gegenteil: Der 24jährige hatte weiter massive Schwierigkeiten mit den langsam und hoch abspringenden Schaaf-Bällen. “Ich bin mit meinem Latein am Ende, so wie ich es noch nie war. Ich weiß nicht mehr was ich spielen soll”, fluchte der Treffener. Nur gut, dass da in dieser misslichen Lage sein Gegner aushelfen konnte. Ein paar leichte Fehler, das ein oder andere Geschenk, so bereitete der WTB-König seinem Kontrahenten in der Schlussphase den Weg zum Sieg. Zumindest den ersten Matchball nach exakt 1:49 Stunden verwandelte Mayer dann aber selbst und standesgemäß obendrein. Mit dem letzten seiner insgesamt 32 Rückhand-Winner stellte der Olympiasieger seinen zweiten Saisontriumph klar.

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“Ich freue mich sehr über diesen Turniersieg, weil er schwer erkämpft war”

In Endspielen mit 4:0 Siegen weiter ungeschlagen, seine Aschen-Bilanz auf 22:1 Siege geschraubt, und mit dem zweiten Sandplatz-Titel binnen 4 Wochen zu einem der absoluten Grand-Slam-Titelfavoriten aufgestiegen, Christoph Mayer konnte trotz durchwachsener Vorstellung recht zufrieden und für die Zukunft zuversichtlich, einen lauen Frühlingsabend genießen. “Ich freue mich sehr über diesen Turniersieg, weil er schwer erkämpft war. Wenn man schlecht spielt und am Ende trotzdem gewinnt, dann hat das auch was Positives für mich. Ich wusste im Vorfeld, dass es für mich gegen den Stefan sehr schwer werden würde. Vorallem hatte ich Bedenken, dass meine Rückhand aufgrund seines Spieles nicht zur Geltung kommen wird. Ich musste die Rückhand immer ziemlich weit oben schlagen, und das war ein echtes Problem”, so Mayer. Ein echtes Luxusproblem, was angesichts von 32 Rückhand-Winnern bei Zuhörer Peter Sachs ein Lächeln verursachte. “Am Anfang habe ich das Ganze auch unterschätzt. Der Schaaf hat sehr schlecht ausgesehen als wir den Centercourt betraten. Ich dachte der bricht mir jeden Moment zusammen, und dann rennt der an der Grundlinie und holt alle Bälle raus. So war ich auch schnell 1:4 hinten. Danach habe ich kontrollierter gespielt und den Satz noch umgedreht. Im zweiten Satz hat nur ein Break entschieden. Da war auch Pech dabei, das kann passieren, außerdem habe ich da schlecht retourniert. Im dritten Durchgang habe ich plötzlich 4:0 geführt und doch ständig im Hinterkopf den Gedanken gehabt, dass der Stefan ja nicht fit ist. Diese Situation ist nicht leicht, weil man ja eigentlich gewinnen muss. Deshalb bin ich auch sehr froh, dass mir dieser Erfolg noch gelungen ist. Der Titel war ein letzter Formcheck für das Grand-Slam-Turnier, und mit einem Turniersieg passt dann auch immer das Selbstvertrauen”, so Mayer, der sich nun wohl oder übel mit dem Mai-GP-Triumph in die Favoritenrolle für die “French-Open der Hobby-Tennis-Tour” katapultiert hat. “Ich möchte beim Grand-Slam einfach gut spielen. Den Titel dort zu gewinnen wird ganz schwer. Da wird es auch viel auf die Auslosung ankommen. Im Gästebuch der Homepage habe ich gelesen, dass von vielen Usern der Wagner als großer Favorit gehandelt wird. Zuletzt beim Super-4-Turnier konnte ich eineinhalb Sätze ganz gut mithalten, so gesehen ist auch für mich der Titel möglich. Es muss aber einfach alles zusammenpassen, und du musst auch Glück haben”, befand der Kärntner Olympiasieger.

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“Es ist erstaunlich, was ich heute aus meinem Körper herausgeholt habe”

Einen herrlichen Silber-Teller für den erreichten Finalplatz in Händen, saß derweil der unterlegene Stefan Schaaf auf der Spielerbank des Centercourts und versuchte wohl seine zwiespältigen Gefühle zu ordnen. Da hatte er zwar unerwarteter Weise und den gesundheitlichen Problemen zum Trotz eine tolle Partie gespielt, auf der anderen Seite aber nur haarscharf seinen ersten Grand-Prix-Karriere-Titel verpasst. “Es ist erstaunlich, was ich heute aus meinem Körper herausgeholt habe. Noch am Vormittag ging es mir vom Magen her gar nicht gut. Eigentlich dachte ich, dass es nach 2 oder 3 Games vorbei sein wird. Außerdem wollte ich gleich von Beginn an voll attackieren. Doch dann hat der Christoph auf einmal so viele Fehler gemacht und ich lag plötzlich 4:1 in Führung. Dann hätte ich um die Spur aggressiver weiter spielen müssen, aber ich habe ganz entschieden viel zu lasch in diesem ersten Satz agiert. Wenn ich fit genug gewesen wäre, dann hätte es heute sehr gut ausgeschaut, das muss man ehrlich sagen. Im Moment aber überwiegt natürlich die Enttäuschung. Wenn ich im dritten Satz noch auf 4:4 komme, wer weiß was dann vielleicht noch passiert wäre. In einigen Phasen hat mir dann auch die nötige Kraft gefehlt, und das Wichtigste ist vorallem der Kopf. Das hat man ja beim April-GP in Runde 1 gesehen, als ich gegen Adam Goodsell den ersten Ballwechsel verhaut habe. Da war ich im Kopf komplett leer und ich habe Danke das war es gesagt. Mit dem Turnier insgesamt bin ich diesmal zufrieden. Ich dachte eigentlich viel früher auszuscheiden, wobei ein Titelgewinn hier natürlich phantastisch gewesen wäre”, resümierte der 31jährige WTB-König.

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Claus Lippert, 27. Mai 2009