Fräulein Rückhand sorgt für Grand-Slam-Sensation

Vier Spieltage beim 19. Jänner-Grand-Slam-Turnier 2010 liegen hinter uns, mit 52 spannenden und teils hochklassigen Matches, jeder Menge Überraschungen und einer echten Sensation. Für diese sorgte die einzige Dame im von Männern dominierten 56 Teilnehmer umfassenden Raster. Die bis Samstag Nachmittag völlig unbekannte Thea Werhahn aus Deutschland stahl der männlichen Phalanx an Topspielern die Show und wurde erst im Achtelfinale von einer offenen Blase an der Handfläche ihres Schlagarms gestoppt. Und so avancierte die deutsche Qualifikantin beim Major-Saison-Auftakt im Tennispoint Vienna mit einer leidenschaftlichen Darbietung zur Siegerin der Herzen. Den Titel bei den “Australian Open” der Hobby-Tennis-Tour machen aber doch die männlichen Topstars der Szene unter sich aus. Und so steht uns für die beiden Vorschluss-Runden-Duelle und das mit Spannung erwartete Endspiel großes Tennis ins Haus. Zumindest dann, wenn wir an den kommenden beiden Abenden ähnlich hohes Niveau zu sehen bekommen wie am gestrigen Sonntag, der ohne Übertreibung phantastisches Tennis zu bieten hatte. Ein Bericht von C.L

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Wie eine unbekannte junge Dame aus Deutschland den Wimbledon-Champion von 2008 schockte

“Nimm dich in Acht vor dieser jungen Dame, sie schlägt eine großartige Rückhand”. Mit dieser und ähnlichen Warnungen betrat der “Wimbledon-Sieger der Hobby-Tennis-Tour von 2008” Michael Kunz knapp nach 13 Uhr den Centercourt des Tennispoint Vienna. Als lästige Ratschläge mögen ihm, dem ehemaligen Top-Ten-Star die Tipps seiner Mitspieler vorgekommen sein. Es stand doch “nur” sein Erstrundenspiel auf dem Programm, noch dazu gegen eine ihm völlig unbekannte Newcomerin aus Deutschland. Das “Q” für Qualifikantin vor dem noch nie gehörten Namen, was sollte dem 38jährigen aus Deutsch Wagram da schon passieren! Erst recht, als er sich bei seinem 4. Jänner-Grand-Slam-Start beim Stand von 7:5, 5:2 souverän anschickte, das Achtelfinale zu erreichen. Doch fast 3 Stunden nachdem Kunz seinem hübschen Gegenüber erstmals zur Begrüßung die Hand geschüttelt hatte, war sein – im Vorfeld vermeintlich gemütlicher – Erstrunden-Auftritt zum wahren Albtraum geworden. Mit 7:5, 5:7, 5:7 musste sich der Niederösterreicher der weiblichen Turnier-Sensation geschlagen geben, und den Canossagang hinaus ins Point-Restaurant unter die Spielerkollegen antreten. Der Blick leer, ein gequältes Lächeln im Gesicht, ja der Michi Kunz hat schon bessere Zeiten auf der Hobby-Tennis-Tour gesehen.

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Wie “Fräulein Rückhand” aus dem “Bergischen Land” die Tour-Szene verzückte

Der Sonntag Nachmittag, es waren wohl mit die bittersten Momente für Michael Kunz seit er im Frühjahr 2006 in den Circuit kam. Zugefügt von einer jungen Dame aus Gummersbach, die eine Rückhand schlägt, von der viele männliche Kollegen auf der Tour nur träumen können. Schon am Samstag Nachmittag hatte “Fräulein Rückhand” aus dem “Bergischen Land” für Furore gesorgt, und mit erfolgreich gespielter Qualifikation erstmals aufgezeigt. Ihre Erfolge in der Quali über die Herren Michael Holasek und Thomas Peyerl waren eigentlich ohnehin schon eine Top-Überraschung an sich, mit dem siegreichen Auftritt in Runde 1 gegen Michael Kunz lieferte die einzige Dame im Feld aber die große Sensation. Es war ihr gesamtes Auftreten, mit dem Thea Werhahn bei ihrem Tour-Debüt das Interesse auf sich zog und allgemein bei der männlichen Konkurrenz für großes Staunen und Begeisterung auslöste. Sie schaffte wahrlich Außergewöhnliches! Man muss sich einmal vorstellen: Da ist Achtel- und Viertelfinaltag beim größten Indoor-Event der Hobby-Tennis-Tour, Grand-Slam-Gewinner, Olympiasieger und Masters-Champions bevölkern die Courts, und ein bis dato unbekanntes – wenngleich auch recht hübsches – Gesicht stiehlt den Topstars dennoch die Show. Wo die 23jährige aus Westfalen spielte, war ihr das größte Zuseher-Interesse sicher. Eine junge Dame im Mittelpunkt, mit eher ungewöhnlichem Vornamen. “Thea”, aus dem griechischen und abgeleitet von “theos” = “Gott”, und göttlich spielte die 23jährige bei ihrem Tour-Debüt wirklich. Es war aber nicht nur die Rückhand mit der Werhahn begeisterte, sondern speziell ihr Kampfgeist und Wille, der die Tourfamilie an diesem ersten Grand-Slam-Weekend des Jahres beeindruckte.

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Wille und unbändiger Kampfgeist – So knackte sie Tom Peyerl und auch Michi Kunz

Schon am Samstag Abend in der zweiten Quali-Runde gegen Thomas Peyerl imponierte die Deutsche mit einer riesigen Performance. Eigentlich konnte man nur staunen, wie sich Werhahn im Finish einer großartigen Partie gegen einen ganz stark spielenden Gegner und eigene körperliche Probleme stemmte. Unvergessen die Augenblicke, als sie im letzten Game von Krämpfen gebeutelt kaum mehr stehen konnte, und sich trotzdem zum weiterspielen zwang. Belohnt für eine dreistündige Quali-Tortur wurde “Thea” mit dem Einzug in den Hauptbewerb, wo sie keine 16 Stunden später zum grandiosesten ihrer drei Premieren-Auftritt kam. Womit wir wieder beim Stand von 5:7, 2:5 aus Sicht der Gummersbacherin wären. “In dieser Phase hatte ich keine Lust mehr. Doch dann hat der Gegner zwei leichte Fehler gemacht und ich dachte mir, wenn er mir ein Game so schenkt, dann greife ich nochmals voll an”, schilderte die 23jährige die Momente vom Beginn der atemberaubenden Aufholjagd. Sie machte fünf Games in Folge, schaffte den Satzausgleich und lieferte in der Entscheidung gleich die nächste Kostprobe ihres überaus großen Kämpferherzens. Nach der dreistündigen Quali-Belastung vom Vortag, stellten sich nach fast zweieinhalb Stunden Spielzeit gegen Kunz wieder die ärgerlichen Krämpfe in der Wade ein. Gebrochen saß Werhahn am Platz, sie schien – wenn auch knapp – geschlagen, als sie zum nächsten Wunder ansetzte. Kunz hatte in dieser Schlussphase ein Break vor und bei 5:4 die Möglichkeit das Match auszuservieren. Doch stattdessen testete der “Wimbledonsieger der HTT von 2008” mit drei Doppelfehlern die Reißfestigkeit des Netzes. Wie überhaupt der 38jährige katastrophale letzte drei Games in diesem Geschlechter-Duell ablieferte. Denn wenige Minuten später musste der Deutsch Wagramer gegen den Matchverlust servieren, der Ausgang ist hinlänglich bekannt.

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“Schade, ich hätte so gerne auch noch das Achtelfinale gespielt, aber es ging nicht mehr”

“Jetzt habe ich zum ersten Mal in meinem Leben gegen eine Frau verloren. Da kann man nichts machen. Thea hat hervorragend gespielt. Trotzdem muss ich natürlich bei 7:5, 5:2 und eigenem Aufschlag das Match zu machen. Mehr als diese Niederlage schmerzt mich aber, dass ich an diesem Wochenende eine riesige Chance auf ein echt gutes Grand-Slam-Ergebnis verschenkt habe. Der Grznar fällt krank aus, ich hätte in Runde 1 und im Achtelfinale zwei Qualifikanten gehabt und mit dem Müller Thomas im Viertelfinale auch keinen unschlagbaren Gegner. Das ärgert mich schon gewaltig”, zog Michael Kunz eine wenig erbauliche Bilanz. Und was meinte Fräulein Rückhand? “Es hat mir riesigen Spass gemacht an diesem Wochenende. Beim nächsten Mal muss ich mir noch die Termine meiner Matches besser ein- und aufteilen, dann wird es perfekt. Schade das ich am Ende eine Blase an der Schlaghand hatte. Ich hätte so gerne noch das Achtelfinale gespielt. Ein Sieg dort wäre nämlich nicht unmöglich gewesen. Aber es ging einfach nicht mehr”. Die schönste Anerkennung für ein grandioses Turnier-Wochenende wurde der 23jährigen Gummersbacherin dann am Ende ihres Auftritts zu Teil. Der Reihe nach standen sie an zur Gratulation, die Topstars der Szene, egal ob Alexander Geisler, Bernhard Nagl oder Mario Kiss.

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Claus Lippert, 25. Jänner 2010