Hitze-Drama am Jennerplatz – Titelverteidiger Florian Brunner wird zum tragischen Helden

Omega-Hoch “Annelie” hat am dritten Spieltag der mit 1000 Euro dotierten OTC Open in Wien-Hietzing für unfassbare Momente und Szenen gesorgt. Die mit bis zu 38 Grad ausgefallene Sahara-Hitze gepaart mit fast einem Dutzend an Dreisatz-Schlachten an der Dreistunden-Grenze zeichneten dafür verantwortlich, dass die HTT-Stars am ersten Juli-Wochenende unmenschliches leisteten, und dieser dritte Spieltag wohl einen ganz besonderen Platz in der HTT-Geschichte einnehmen wird. Es war ein Super-Sonntag, an dem echte Helden geboren wurden, die mit wahrlich gigantischen Leistungen an ihre körperliche Grenzen stießen, und für Top-Stories ohne Ende sorgten. Im Mittelpunkt dabei stand der aus Oberösterreich angereiste Vorjahressieger Florian Brunner, der nach einem von allen Höhen und Tiefen geprägten Viertelfinal-Duell mit dem serbischen Ranglisten-Ersten Vladimir Vukicevic zum tragischen Helden eines ganz großen Tennis-Matches avancierte. Ein Bericht von C.L

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Titelverteidiger gegen HTT Nr. 1 – der Viertelfinal-Kracher bei den OTC Open 2015

Eines gleich vorweg! Oberösterreichs Tennis-Export Nummer 1 Florian Brunner ist bei seinem Lieblingsturnier den OTC Open in Wien-Hietzung an der Mission Titelverteidigung gescheitert, und erstmals nach sieben Siegen auf der roten Asche am Jennerplatz als Verlierer vom Platz geschlichen. Das sind nüchtern betrachtet die Fakten des mit großer Spannung erwarteten Auftritts des Titelverteidigers aus Buchkirchen, der sich bei näherer Betrachtung aber als die Top-Story des Turnier-Wochenendes hoch über Wien entpuppte. Alleine schon die Konstellation dieses Viertelfinal-Schlagers hatte es in sich: Da standen sich der seit 7 Spielen beim OTC ungeschlagene Titelverteidiger Florian Brunner und der serbische HTT-Ranglisten-Erste Vladimir Vukicevic gegenüber, hochkarätiger geht es für ein Viertelfinale selbst auf 1000er-Ebene kaum noch. Und was die Zuschauer am Centercourt des Hietzinger Nobelclubs dann im Verlauf der folgenden zwei Stunden geboten bekamen, wird noch lange Gesprächsstoff bieten und in Erinnerung aller Beteiligten bleiben. Zum Staunen des Publikums legte zunächst der oberösterreichische Titelverteidiger ein Höllentempo vor und glänzte mit einer sehenswerten Gala-Vorstellung. Der 18jährige spielte groß auf und sein vielleicht etwas überraschtes Gegenüber komplett an die Wand. Beieindruckend war dieser Umstand natürlich deshalb, weil Brunner nicht irgendwen zum chancenlosen Statisten degradierte, sondern immerhin die Nummer 1 der Hobby-Tennis-Tour in Grund und Boden spielte. Brunner erinnerte an seine grandiose Vorstellung im vergangenen Jahr, als er sich zum Sensations-Triumph bei der OTC-Premiere ballerte. “Das ist einfach mein Turnier, hier fühle ich mich so wohl, und hierher komme ich immer so gerne zurück”, dachte sich Brunner nach dem mit 6:1 gewonnenen ersten Satz in der Pressekonferenz später erzählend.

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Nach Super-Gala im ersten Satz beginnt körperliches Martyrium für Florian Brunner

Brunner war also auf dem allerbesten Weg, dem serbischen Ranglisten-Ersten das nächste – nach dem im Vorjahr erlittenen – OTC-Viertelfinal-Debakel anzuhängen, als das Schicksal auf grausige Weise begann, die Regie in diesem Viertelfinal-Knaller am gut besuchten und sonnenüberfluteten Centercourt des Ober St. Veiter TC zu übernehmen. Brunner führte 2:1, als er plötzlich einen ersten Krampf in der Schlaghand spürte, und der körperliche Einbruch des 18jährigen seinen Lauf nahm. Mit unmenschlicher Willensstärke stemmte sich der 18jährige Oberöersterreicher gegen seinen streikenden Körper und einen Gegner, der natürlich die Schwierigkeiten seines Herausforderers bemerkte, und über einen riesiegen Erfahrungsschatz verfügt, um mit solch einer Situation entsprechend umzugehen, und daraus auch noch Kapital zu schlagen. Denn so einfach ist es nicht, gegen einen nicht mehr im Vollbesitz seiner Kräfte über den Platz schleichenden Gegner die Oberhand zu behalten. Es ist vorallem eine hoch sensible Konzentrationsfrage, gegen einen angeschlagenen Kontrahenten voll fokussiert zu bleiben. Wenn der dann auch noch wie ein angeschlagener Stier in einer vollbesetzten Arena kämpft, wird es doppelt schwierig. Und in der Tat hatte Vukicevic riesige Probleme, ein erneutes Viertelfinal-Aus bei den OTC Open zu vermeiden. Brunner begann nämlich Mitte des zweites Satzes an seiner eigenen Helden-Story zu schreiben. Der 18jährige humpelte über den Platz, bei jedem Seitenwechsel krümmte er sich vor Schmerzen auf der Bank, und zwischenzeitlich musste der Titelverteidiger sogar schon im Stile eines Michael Chang von unten servieren, um noch irgendwie im Match bleiben zu können. Und am Ende waren es wohl nur zwei Bälle, die aus Brunner einen tragischen Helden machten und ihn nicht zum Tennis-Gott empor steigen ließen.

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Brunner vergibt als Höhepunkt eines unfassbaren Hitze-Dramas einen Matchball

Bei 6:1, 4:2 und eigenem Aufschlag fand Brunner einen Spielball zum wohl vorentscheidenden 5:2 vor, doch den zum Punktgewinn vorgesehenen Vorhandball setzt der 18jährige knappe 5 Zentimeter ins Out. Statt komfortabler 5:2 Führung und einer weiterer Druckerhöhung in Richtung Vukicevic, hatte der junge Oberösterreicher seinem routinierten serbischen Gegenüber die Türe aufgemacht, um in dieses verrückte Match zurückzufinden. Längst hatte sich auf gesamten Anlage das Centercourt-Drama herumgesprochen, das im Finish Dramatik pur zu bieten hatte, und Brunner wohl endgültig zum Heldenstatus verhalf. Vukicevic war mit dem Aufschlag an der Reihe, und der unumschränkte Rasenkönig sah sich bei 30:40 plötzlich dem ersten Matchball seines Gegners gegenüber. Das erste Service im Out, die Spannung stieg in unerreichte Höhen, als sich Vukicevic zum zweiten Aufschlag bereit macht, und sich Brunner plötzlich an der T-Linie stehend für den Return in Stellung bringt. Der angeschlagene Vorjahressieger setzt den Return via Rückhand-Slice über das Netz, Vukicevic kontert mit einem schlecht ausgeführten und zu kurz geratenen Vorhand-Cross-Ball direkt auf den dort schon lauernden Gegner, und damit schien die Partie entschieden. Brunner hatte den kleinen gelben Filz direkt auf seiner Vorhand und praktisch perfekt am Schläger, dazu einen komplett offenen Platz und damit den vielleicht größten, vorallem aber den am schwierigsten zu erringenden Erfolg vor Augen, als das “Drama vom Jennerplatz” auf seinen Höhepunkt zusteuerte. Brunner jagte die Kugel ins Aus und sich selbst damit ins Verderben. Einstand statt Sieg, und damit war Brunner auch im Kopf geschlagen. Vukicevic rettete sich zum 5:5 und schließlich erstmals bei den OTC Open ins Semifinale, weil Brunner kurz darauf mit unmenschlichen Schmerzen aufgeben musste. Eine innige Umarmung unter dem tosenden Applaus der gefesselt auf den Centercourt blickenden Zuschauer folgte, ehe sich Brunner mit schmerzverzerrtem Gesicht und einem total krampfenden Körper in die rote Asche des OTC fallen ließ.

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Die Stimmen zum Viertelfinal-Kracher zwischen Vukicevic und Brunner

“Es ist einfach ein ganz bitterer Augenblick für mich, weil ich meinen Gegner eineinhalb Sätze dominiert habe. Schade das mir mein Körper die Möglichkeit geraubt hat, hier bei den OTC Open eine Runde weiter zukommen”, blieb der sympathische Oberösterreicher auch in der bittersten Stunde seiner Karriere höchst fair. “Es war extrem schwierig gegen einen angeschlagenen Gegner zu bestehen, aber ich bin froh, erstmals das Semifinale bei den OTC Open erreicht zu haben. Kompliment an meinen Gegner. Er hat vorallem im ersten Satz unglaublich stark gespielt”, lobte der Ranglisten-Erste aus Serbien.

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