Jubiläums-Titel für Bernhard Nagl

Bernhard Nagl gewinnt beim Oktober-GP seinen 10. Karriere-Titel

Der erste Sieger der Hallensaison 2006/07 heißt Bernhard Nagl. Der Masterssieger aus Mödling gewann am Mittwoch Abend den Titel beim 15. Oktober-GP-Turnier durch einen 6:4, 6:2 Finalsieg über Martin Vytisk, für den sich damit auch im dritten Anlauf der Ranglisten-Zweite als eine Nummer zu groß erwies. Für Nagl war es der 10. Turniersieg seiner Karriere, der dritte Titel in dieser Saison, und der Erste seit dem Mai-Grand-Slam-Erfolg vor fünf Monaten. Außerdem konnte Nagl mit seinem ersten Oktober-GP-Titel auch seine imposanten Hallen-Bilanzen prolongieren. “Bernie” ist bereits seit 15 Indoor-Spielen ungeschlagen und hat von seinen letzten 29 Matches in der Halle sensationelle 28 Siege davon getragen. Der Endspielbericht von C.L

Italien-Juli-Turniere_05_4600.jpg

Abwechslungsreicher erster Satz – Zuerst ein Nagl-Solo, dann die Vytisk-Aufholjagd

Und so imposant wie seine famosen Siegesserien in der Halle, legte Bernhard Nagl auch in diesem 15. Oktober-GP-Finale los. Nach 15 Minuten führte der 28jährige Mödlinger im “finalen Niederösterreich-Derby” mit 4:1, deutete alles auf ein Nagl-Solo hin. Erst Recht, als dem Hallen-Grand-Slam-Sieger nur zwei Punkte zum 5:1 fehlten. Doch mit Glück und Kampfgeist wehrte Vytisk diese brenzlige Situation ab, und verkürzte mit eigenem Aufschlag auf 2:4. Was die Zuseher in diesem Moment noch nicht ahnen und erwarten konnten, war eine sensationelle Aufholjagd Vytisks die in dieser zweiten Viertelstunde des Finales folgen sollte. In exakt 10 Minuten drehte der Nagl-Herausforderer den scheinbar verloren geglaubten Startsatz um. Von 1:4, 0:30 auf 44:4, 30:0 mit unglaublichen 12 Punkten in Serie und einem selbstbewußten höchst couragierten Auftritt. Im siebenten Spiel des ersten Satzes begann Vytisk nämlich endlich Tennis zu spielen. Er hatte plötzlich die richtige Länge in seinen Grundschlägen, und er legte die nötige Aggressivität an den Tag um einem Kaliber wie Bernhard Nagl ernsthafte Paroli bieten zu können. Das die grandiose Aufholjagd letztlich aber unbelohnt blieb, glaubte Vytisk in der anschließenden Spielanalyse zu wissen. “Ich bin noch ein wenig zu unkonstant beim Verwandeln von wichtigen Punkten”. Und von diesen wichtigen Punkten gab es in der Tat jede Menge, die der Niederösterreicher an diesem Abend ungenützt ließ. Alleine vier Breakbälle zur möglichen 5:4 Führung vergeigte Vytisk beim Aufschlag seines Gegners. Die Strafe folgte quasi auf den Fuß, musste Martin doch im folgenden Game den Verlust des ersten Satzes hinnehmen. Den zweiten Satzball Nagls “vollendete” Vytisk mit einem Doppelfehler.

Italien-Juli-Turniere_05_4594.jpg

Zweiter Satz wird über weite Strecken zum Nagl-Alleingang

Der zweite Satz wurde dann über weite Strecken das “befürchtete Nagl-Solo”. Nachdem Vytisk gleich im ersten Game weitere zwei Breakchancen leichtfertig vergab, schien die Luft aus dem Endspiel bei ihm raus zu sein. So stand es rasch 0:5, wechselte Martin nach einem leichten Fehler mit dem Sager “Ich mache mir das Leben selber schwer” zum scheinbar letzten Mal die Seiten. In der Schlussphase dieses Spieles bekamen die Zuseher aber noch eine Kostprobe vom “neuen Vytisk” geboten. Er ist mental stärker geworden, reifer und selbstbewußter als noch bei seinen Auftritten im letzten Jahr. Ohne Wehklagen, ohne Schmimpforgien stellte er sich der zugegeben “trostlosen” Situation mit 0:5 Rückstand und begann das Beste aus dieser zu machen. Unverändert bereit um jeden Ball zu kämpfen, machte er dem sich längst als Sieger wähnenden Nagl das Leben so schwer wie möglich. Trotz Doppelfehler Nummer 4 holte er sein Aufschlagspiel zum 1:5, betreibt dann bei Aufschlag Nagl mit seinem zweiten Break in diesem Endspiel noch Ergebniskomsmetik, ehe er wie schon im ersten Durchgang den Satz und damit das Match mit einem Doppelfehler beendet.

Italien-Juli-Turniere_05_4589.jpg

“Der 10. Titel ist super, es wurde eh schon Zeit”

Nach genau 69 Minuten Spielzeit kann Nagl dann aber doch den großen und schweren Pokal für seinen 10. Karriere-Turniersieg entgegennehmen. Überreicht wird er vom ehemaligen Ranglisten-Ersten Patrick Schwing, der sich auch unter den Zusehern befand. Wie immer setzten dann im Anschluss an das Finale die großen Analysen und Interviews ein. Und wie immer bei Nagl, sind die Taten am Centercourt um vieles größer als seine Wortmeldungen danach. “Ich habe heute nicht so toll gespielt. Vor dem Match habe ich zuviel gegessen, und gestern Abend zulange und heftig gefeiert. Ich war echt fertig”. Und angesprochen auf seine Gefühle und Eindrücke zu seinem 10. Karriere-Jubiläums-Titel meinte der 28jährige: “Der 10. Titel ist super, es wurde eh schon Zeit, immerhin war mein letzter Turniersieg beim Mai-Grand-Slam. Aber wichtiger als der Jubiläumssieg ist für mich die Tatsache, vor dem Masters noch ein Turnier gewonnen zu haben. Das war der Plan, und der ist voll aufgegangen. Jetzt wissen meine Gegner, dass ich für das Masters voll bereit bin. Gut finde ich auch meine Bilanzen in der Halle. Ich freue mich schon auf das Masters”, meinte der Mödlinger.

Italien-Juli-Turniere_05_4599.jpg

“Morgen kann ich mir auf die Schulter klopfen und mit einem Muskelkater aufstehen”

Entspannt und glücklich über sein wirklich gelungenes Turnierabschneiden beim Oktober-GP, lehnte auch der Finalverlierer bei einem Bier im Spielerrestaurant. Das sensationelle Comeback nach knapp fünf Monaten Tourpause mit dem ersten Finaleinzug seit August 2005 kommentierte der 31jährige so: “Ich bin echt zufrieden. Meine Laufleistung war ok, mein Kampfgeist war in Ordnung und ich hatte so viele Chancen wie noch nie gegen Nagl. Leider konnte ich sie nicht nützen, aber ich habe immerhin gegen die Nummer 2 gespielt und somit ist mein Abschneiden zufriedenstellend. Morgen Früh kann ich mir deshalb auf die Schulter klopfen, und mit einem Muskelkater aufstehen. Die Spiele mit Bernie machen immer Spaß, so war es auch heute”. Die vierte Niederlage im sechsten Finale seiner Karriere, sah der für den TC Schwadorf spielende Routinier durchaus positiv. “Ich habe mich in den letzten Monaten im mentalen Bereich verbessert. Ich schreie nicht mehr, werfe keine Schläger, das bringt mir enorm viel. Nur so konnte ich beispielsweise das Semifinale gegen Perepelkin umdrehen, oder heute gegen Nagl die Wende im ersten Satz einleiten. Ich habe im Job viel in dieser Hinsicht gelernt, und kann das jetzt im Sport perfekt verwenden. Leider bin ich körperlich noch nicht dort, wo ich gerne wäre. Ich bin zwar so recht fit, aber ein ganzes Turnier mit fünf Spielen geht bei mir voll an die Substanz. Ich spüre die enorme Belastung überall. In den Beinen, in der Schulter, im Kreuz, heute Früh habe ich eine halbe Stunde gebraucht, bis ich aus dem Bett gekommen bin. Das kann nicht sein. Aber insgesamt habe ich heute gesehen, dass ich auch mit den besten Spielern der Tour mithalten kann. Und ich hoffe, dass ich über kurz oder lang, auch meine Konstanz bei wichtigen Punkten ausspielen kann. Dann ist alles möglich.

Italien-Juli-Turniere_05_4608.jpg

Claus Lippert, 2 .November 2006