Nagl auf dem Weg zur Allzeitgröße

Nagl nach Viersatz-Sieg über Ebner neuerlich Mai-Grand-Slam-Sieger

Bernhard Nagl hat am Donnerstag Nachmittag seinen Titel beim Mai-Grand-Slam-Turnier mit Erfolg verteidigt. Der 27jährige Mödlinger sicherte sich mit einem 5:7, 6:4, 6:2 und 6:1 im Finale über Hans Ebner zum zweiten Mal den Sieg beim größten Turnier der Hobby-Tennis-Tour. Der an Nummer 1 gesetzte Niederösterreicher bleibt damit weiter der überragende Grand-Slam-Spieler der Tour. Ein Finalbericht von C.L.

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Nagl gewinnt 2. Mai-Grand-Slam-Titel nach 1 Stunde und 55 Minuten

Bernhard Nagl ist auf Grand-Slam-Ebene weiter nicht zu schlagen. Ein Faktum, das auch Jänner-Without-Top-Ten-Champion Hans Ebner am Donnerstag Nachmittag zur Kenntnis nehmen musste. Der 37jährige Korneuburger konnte sein erstes Grand-Slam-Finale zwar lange Zeit offen halten, nach einer Stunde und 55 Minuten hatte aber auch Ebner wie alle Nagl-Gegner beim Mai-Grand-Slam den harten Weg ans Netz zur obligaten Gratulation anzutreten.

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Ebner holt Satz 1 nach 34 Minuten mit seiner einzigen Breakchance

Dabei sah es lange Zeit danach aus, als ob dem Außenseiter in diesem zweiten Saison-Grand-Slam-Finale die große Überraschung gelingen könnte. Der Champions-Race-Zweite zeigte von Beginn an wenig Respekt vor dem favorisierten Titelverteidiger, und punktete konstant bei eigenem Aufschlag. Wie überhaupt dieser erste finale Durchgang von der Aufschlägern geprägt wurde. Bis zur 6:5 Führung Ebners ging alles mit dem Service, wobei der Korneuburger beim Stand von 3:3 die einzige Breakmöglichkeit Nagls abwehren konnte. Nach 34 Minuten fiel dann die Entscheidung des Startsatzes, als sich Ebner als “Mister 100 Prozent” erwies, und seine einzige Breakchance gleich zur 1:0 Satzführung nützte.

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Nagl gleicht nach anfänglichen Schwierigkeiten in Sätzen aus

Das eigentlich von Beginn an bewölkte Wetter hatte längst in einen leichten aber konstanten Nieselregen mit heftigen Windböen umgeschlagen. Auch der Finaltag beim 15. Mai-Grand-Slam hatte also wie die 14 vorhergehenden Turniertage mit dem miesen Wetter zu kämpfen. Und in dieser Phase des Matches schien auch die Grand-Slam-Herrlichkeit des Bernhard Nagl ein Ende zu finden. Der Masterssieger wirkte unsicher, zu kurz in seinen Grundschlägen und er vernebelte reihenweise glasklare Punktchancen leichtfertig. Echt brenzlig wurde es dann im sechsten Game des zweiten Satz, als sich der Mödlinger bei 2:3 Rückstand und eigenem Aufschlag plötzlich einer Breakchance seines Gegners gegenüber sah. Doch im Stile eines nunmehr 4fachen Grand-Slam-Champs wendete “Bernie” die kritische Situation ab, breakte seinerseits im nächsten Spiel seinen Gegner, und steuerte fortan souverän seinem zweiten “French Open-Titel der Hobby-Tennis-Tour” entgegen. Zwar musste der 27jährige beim Ausservieren noch zwei Chancen Ebners zum 5:5 abwehren, doch nach exakt 70 Minuten hatte Nagl den Satzausgleich fixiert.

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Der Anfang vom Ende des Hans E.

Mittlerweile hörte auch der störende Nieselregen wieder auf, und fast noch wichtiger, der Wind war endlich eingeschlafen. Mit dem turbulenten Wetter schien plötzlich aber auch der Ebner`sche Angriffswirbel eingeschlafen. Mit dem längsten Game des Finales gleich zu Beginn von Durchgang 3, in dem der 37jährige zunächst noch drei Breakmöglichkeiten erfolgreich abwehren konnte, brach endgültig der Widerstand Ebners. Die vierte Chance nutzte Nagl mit einem perfekten Stoppball. Ein weiteres Break bescherte dem Titelverteidiger eine komfortable 4:0 Führung und die Basis zum Gewinn des dritten Satzes mit 6:2.

Nagl-Solo im letzten Satz

Ähnlich das Szenario im vierten und letzten Heat des Mai-Grand-Slam-Finales, wo Nagl rasch mit 5:0 führte und sich knapp vor Schluss sogar den Luxus eines “zu Null” abgegbenen Aufschlagspieles leisten konnte. Ebner fehlte längst die Länge in seinen Schlägen, die Spritzigkeit in den Beinen, und die Freiheit im Kopf um doch noch einen möglichen fünften Satz erzwingen zu können. Nach genau einer Stunde und 55 Minuten landete eine Vorhand Ebners im Aus, nahm Nagl seine Kappe vom Kopf und lief freudestrahlend ans Netz zum Shakehands. Ähnlich wie im Halbfinale gegen Svetlin Stoyanov hat Nagl also das Endspiel nach anfänglichen Schwierigkeiten umgebogen und gewonnen.

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Bernie mit seiner Leistung in den Sätzen 3 und 4 zufrieden

Dementsprechend erleichtert zeigte sich unmittelbar nach Spielende auch der große Sieger. “Es war die erwartet schwere Partie gegen Hans. Ich bin zunächst nicht so richtig ins Spiel gekommen. Mir ist gleich zu Beginn des Finales die Saite meines Schlägers gerissen. So hat es ein wenig gedauert, bis ich das richtige Gefühl für das fremde Racket hatte. Dazu waren die Bedingungen mit Regen und Wind nicht gerade einfach. Ich habe mich in den ersten beiden Sätzen auch nicht so gut bewegt. Nach dem Satzausgleich lief es dann aber super, hat die Leistung gepasst”, resümierte der Sieger. In der Tat agierte Nagl ab Durchgang 3 wie ausgewechselt. Aggressiv von der Grundlinie mit optimal getimten Schlägen, setzte der Mödlinger seinen Gegner permanent unter Druck.

“Ich hätte im zweiten Satz die Chance zum 4:2 nützen müssen “

Das bestätigte im ersten Statement auch der unterlegene Mai-Grand-Slam-Finalist. “Ich bin in den beiden letzten Sätzen enorm unter Druck gekommen. Das lag aber nicht etwa daran, dass ich müde geworden wäre. Im Gegenteil, ich hätte noch drei Sätze spielen können. Aber Bernhard ist plötzlich viel länger in seinen Grundschlägen geworden, und hat ständig Druck auf mich ausgeübt. Meine Vorhand ist heute auch nicht nach Wunsch gekommen, und so kam schließlich das Ergebnis zu Stande. Ich bin aber insgesamt mit der Finalleistung nicht unzufrieden. Vielleicht hätte ich die Chance im zweiten Satz zum 4:2 nützen müssen. Wer weiß, vielleicht wäre das Match dann anders gelaufen”, analysierte Ebner.

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Die Superbilanzen des Bernhard Nagl

Auf die kritische Situation Mitte des zweiten Satzes angesprochen, als Nagl beinahe 5:7 und 2:4 zurück gelegen wäre, meinte der alte und neue Mai-Grand-Slam-Champ gelassen. “Selbst wenn Hans das Break zum 4:2 gelungen wäre, hätte ich kein schlechtes Gefühl gehabt. Dann hätte ich mich eben auf einen Sieg in 5 Sätzen eingestellt, obwohl ich das mit aller Macht vermeiden wollte”. Das ist dem 27jährigen gelungen, womit auch der 18. “Best of five Versuch” auf der Hobby-Tennis-Tour ohne fünften Satz endete. Ein Faktum, das den Sieger aber wenig kratzt. Der “Mister Grand-Slam” schlägt alle Rekorde und bleibt auf Grand-Slam-Ebene weiter das Maß aller Dinge. Das Nagl mit dem Titelgewinn die Führung im Champions-Race zurückerobert hat, scheint angesichts seiner ausgebauten Superbilanzen nur Nebensache zu sein. Der Star der Tour ist beim Mai-Grand-Slam-Turnier seit 10 Spielen unbesiegt, feierte den insgesamt bereits 20. Einzelsieg in Serie bei Grand-Slam-Bewerben, und blieb auch im vierten Grand-Slam-Finale seiner Karriere ungeschlagen. Mit seinem vierten 200-Punkte-Titel hintereinander, wahrte der Niederösterreicher auch die historische Chance, als erster Spieler überhaupt den Grand-Slam (Sieg bei allen 4 Grand-Slam-Turnieren in einem Jahr) zu gewinnen. “Jetzt gehe ich auf den Grand-Slam los, auch wenn das nicht so einfach wird. Das Rasenturnier wird eine heikle Sache, und auf Hartplatz fühle ich mich nicht so wohl”, risikierte “Bernie” bereits einen Blick in die Zukunft. Vorerst kann der 27jährige aber noch die Gegenwart mit all ihren Super-Statistiken genießen. Immerhin ist er der erste Spieler im Jahr 2006, der einen Titel aus dem Vorjahr erfolgreich verteidigen konnte. Nach Martin Kova und Christoph Wagner ist Nagl der dritte Zweifach-Saisonturniersieger, und auch in den Ewigen-Statistiken der Hobby-Tennis-Tour machte der Ranglisten-Zweite einen Schritt nach vorne. Mit seinem neunten Karriere-Titel ist Nagl bereits die Nummer 7 der erfolgreichsten Turniersieger der Geschichte. Und mit Grand-Slam-Sieg Nummer 4, rangiert der 27jährige in der Ewigenbilanz auf Platz 5 noch vor Spielern wie Roman Ainberger und Patrick Schwing. “Natürlich freue ich mich über diesen Titel, doch den richtigen Kick hätte dieser Erfolg erst, wenn auch Wagner und Scheller hier dabei gewesen wären”, zeigte sich Nagl einmal mehr von seiner bescheidenen und gleichzeitig sympathischen Art. Dennoch: Bernhard Nagl ist spätestens seit Donnerstag auf dem Weg zu einer Allzeitgröße auf der Hobby-Tennis-Tour.

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Claus Lippert, 9. Juni 2006