Gerald Scheller trumpft auf wie in alten Zeiten

Der Gegner von Überraschungsmann Christoph Bauer im Finale des 2. August-First-Series-Turniers 2009 heißt Gerald Scheller. Der 38jährige vom TC Donaufeld gewann am Montag Abend das zweite Semifinale des 32. Saison-Events gegen Vorjahressieger Christoph Kramer überraschend deutlich mit 6:3, 6:4 und qualifizierte sich damit wie bei seinem vorerst letzten Antreten im April für ein Finale. Scheller revanchierte sich in knapp 90 Minuten zudem für die im April vorigen Jahres erlittene Dreisatzniederlage gegen Kramer. Damals im Viertelfinale des April-Grand-Prix-Turniers 08 gewann der entthronte August-First-Series-Titelverteidiger in drei Sätzen. Ein Bericht von C.L

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Scheller mit Blöff vor dem Duell mit Kramer? Aus der Außenseiterrolle zum Sieg

Mit viel Glück und beinahe punktgenau ist am späten Montag Nachmittag das zweite Semifinale beim August-First-Series-Turnier über die Bühne gegangen. In der knapp eineinhalbstündigen Pause zwischen zwei Niederschlagsfronten und gerade rechtzeitig vor dem großen Regen konnten sich der 3fache Turniersieger Gerald Scheller und der Ranglisten-Dritte Christoph Kramer in ihrem dritten direkten Aufeinandertreffen um den freien Platz im Endspiel neben Mayerhofer-Bezwinger Christoph Bauer duellieren. Mit einem Vorjahressieger in der Favoritenrolle und einem ehemaligen Top-Ten-Star, der in die Jahre gekommen und durch viele Verletzungen gebeutelt, als krasser Außenseiter in dieses zweite Vorschlussrunden-Duell startete. Und in diese Rolle des Underdogs schlüpfte Scheller am Vortag nach dem Viertelfinal-Auftritt gegen Second-Series-Star Martin Knab selbst. “In der nächsten Runde ist es vorbei. Ich denke nicht, dass ich gegen den Christoph derzeit gewinnen kann. Da wird mir wahrscheinlich das Tempo zu hoch sein”, urteilte der Routinier. Bewusstes Understatement eines schlauen Fuchses oder ehrliche Einschätzung eines bis auf Platz 78 im Ranking zurückgefallenen ehemaligen Topstars der Szene? Wie auch immer, Scheller fühlte sich in der Außenseiterrolle gegen den topgesetzten Kramer pudelwohl, und lieferte das beste Match seit langer Zeit ab.

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Im ersten Satz wurden bei Kramer Erinnerungen an den September 2005 wach

Das der 38jährige an jedem Tag, zu jeder Zeit gegen fast alle Spieler der Hobby-Tennis-Tour für einen Sieg gut ist, das der 3fache Turniersieger noch immer geniales Tennis spielen kann, ist allen kompetenten Insidern die sich intensiv mit der Tour auseinandersetzen bewusst. Das “Gery” eine Topleistung wie einst zu seiner besten Zeit auch konstant über ein komplettes Match hinweg abrufen kann, das war hingegen selbst für Experten eine Überraschung. Von unzähligen, teilweise auch schweren Verletzungen war Schellers Karriere in den letzten Jahren beeinträchtigt, eine Rückkehr zu alter Stärke daher auch nicht mehr zu erwarten. Zumindest nicht im Semifinale gegen den zuletzt im Dauerhoch befindlichen Christoph Kramer. Doch genau die Top-Performance vergangener Jahre war es, die Scheller am Montag Nachmittag zum Besten gab, und damit die Hoffnungen Kramers auf eine erfolgreiche Titelverteidigung zunichte machte. Überragend war Schellers Leistung vorallem zu Beginn des Spieles. Da wurden Erinnerungen wach an die erste Begegnung der beiden vor fast 4 Jahren. Im Finale des September-WTT-Turniers 2005 war es, als Scheller den damals finalunerfahrenen Kramer mit einer Doppel-Null demütigte. Fast 4 Jahre danach hatten sich zwar die Voraussetzungen grundlegend verändert, doch die ersten 25 Minuten des Semifinal-Duells am Centercourt des TC Top Serve ließen für Tourunkundige nicht erkennen, wer denn nun als Nummer 3 im Ranking und wer als Nummer 78 der Rangliste über den Platz hirschte. Mit zwei Breaks hatte sich Scheller eine komfortable 4:1 Führung herausgespielt, bei der Aufschlagstärke die der 38jährige an diesem Montag Nachmittag an den Tag legte, mehr als eine Vorentscheidung. So war es dann auch, sicherte sich Scheller Satz 1 mit 6:3 und lud den Druck mit einem Schlag auf den Schultern Kramers ab.

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“Das war ein Wahnsinnsmatch” – Kramer nach seinem 53. Saison-Einzel zufrieden

Der 26jährige Vorjahres-Champion musste nun handeln, aktiver werden, mehr Risiko nehmen und letztlich auch auf einen Einbruch des 12 Jahre älteren Gegenübers hoffen. Doch der kam nicht. Im Gegenteil. Scheller spielte auf einem sensationell hohen Level die Partie im Stile eines Klassemannes zu Ende, ließ keine Schwächen erkennen und dem bemühten, allerdings doch recht fehlerhaften Kramer keine Chance ins Spiel zurück zu kommen. Scheller auf absolutem Top-Niveau, Kramer motiviert und leidenschaftlich agierend, damit war den Besuchern am Centercourt ein sehenswertes Duell garantiert. Teilweise wirklich sensationelle Ballwechsel rundeten den Eindruck eines Topspiels ab. “Das war ein Wahnsinnsmatch. Und der Gery hat heute einfach großartig gespielt. Ich hatte die Hoffnung, dass er irgendwann zurückfallen wird, aber er hat bis zum Ende phantastisch gespielt. Schade, ich hätte so gerne meinen Titel mit Erfolg verteidigt. Aber ich bin nach diesem Match auch so sehr zufrieden”, analysierte Kramer nach seinem 53. Saison-Single. “Der Aufschlag war heute der entscheidende Faktor für meine Leistung. Ich habe konstant serviert und dazu sind fast 70 Prozent meiner Stoppbälle diesmal gekommen”, freute sich der Sieger, der nun im Finale am Mittwoch auf Tour-Neuling Christoph Bauer treffen wird. Matchbeginn am Centercourt des TC Top Serve ist um 17:30 Uhr.

Claus Lippert, 4. August 2009